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Forumbeiträge

Doni DoLittle
29. Juli 2021
In DONi writes a little
Die Welt von gestern ist gestorben. Heute beginnt mein Traum. Ich fahre mit dem Zug in eine andere Stadt, zu einem fremden Menschen. In meinem kleinen Rucksack befinden sich neben meinem schwarzen linienlosen Notizbuch, welches mir eine Freundin geschenkt hat, nur ein Bleistift, ein Spitzer, und ein Radiergummi. Leichtes Gepäck also. Ich bin unterwegs zu einem Interview. Die Frau, die ich zum Gespräch treffen werde, hat mich zu sich nach Hause eingeladen. Sie ist in meinem Alter und heisst Tamara. Wir begrüssen uns mit einer Umarmung. Tamaras Haus liegt am Waldrand. Es wirkt klein und behaglich. Vieles im und ums Haus ist von Tamara selbst gezimmert. Dies ist für mich sehr beeindruckend, da Tamara an starker Arthrose leidet und eigentlich ihren Rücken kaum mehr belasten sollte. Im Haus fühle ich mich sofort wohl. Ein besonderes Gefühl des Beschütztseins erfüllt mich. Tamara erzählt von ihrem Grossvater, der Steinhauer war. Sie erzählt wie er von Francos Regime aus Spanien in die Schweiz geflüchtet war und fortan bis zu seinem Tod Kirchen in der Schweiz restaurierte. Später gesellt sich Tamaras Tochter zu uns. Sie ist bildhübsch und anfangs zwanzig. In ihrer Freizeit macht sie Schnitzarbeiten. Sie sind mit grosser Präzision gefertigt und mit wundervollen Mustern verziert, die mich an magische Runen erinnern. Mir kommt Tamaras Grossvater, der Steinhauer in den Sinn. Tamara erzählt von ihrem Leben in Basel auf der Strasse, von ihrem Drogenentzug anfangs 20 aus eigener Kraft, von Gefängnisaufenthalten und Gewalt. Ich erfahre, wie sie sich zu Hause, ganz auf sich allein gestellt, einer Chemotherapie unterzog, es waren keine Therapieplätze verfügbar, und erfolgreich den Krebs überwinden konnte. Sie erzählt mir von ihrer Mutterschaft, von ihrer Befreiung aus der gewaltvollen Ehe und dem darauffolgenden Entscheid alleine glücklich zu sein. Tamara schwärmt für seltene Steine und hat schon einige schöne Funde an Ausgrabungsstätten gemacht. Während ich die Steine betrachte kommt mir wieder ihren Grossvater in den Sinn. Tamara erzählt mir von ihrer Familie in Asturien und vom keltischen Erbe, welches dort immer noch respektiert wird. Mir kommen die geheimnisvollen, runenartigen Schnitzereien von Tamaras Tochter in den Sinn. Es kommt mir der Gedanke, dass nichts auf der Welt grundlos passiert und verborgene, zeitdurchlässige Verbindungen zwischen den verschiedenen Generationen, zwischen den Lebenden und den Verstorbenen, existieren und unser Handeln auf geheimnisvolle Weise beeinflussen. Als wären wir in einem Traum. Auf dem Weg nach Hause bin ich ziemlich erschöpft. Ich bin mit einem leichten Rucksack losgegangen und komme nun mit einer unglaublichen Fülle von Eindrücken wieder nach Hause. Noch immer bin ich geflasht von dieser fremden, zeitdurchlässigen Welt voller Steine, Staub und Magie. Aus all diesen bewusstseinserweiternden Eindrücken, werde ich nun ein poetisches Werk schaffen. Heute beginnt mein Traum. Wie das Werk «Steinä & Stoub» geworden ist, kannst du dir unter DONi crowns the people anhören.
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